Terrorwarnung in Deutschland:Hysterie, die Himmelangst macht

Lesezeit: 2 min

Die Reaktionen auf die Terrorwarnung machen Angst. Denn dem Terror standzuhalten verlangt: an den Grundsätzen des Rechtsstaats festzuhalten. Ein starker Staat stellt seine Regeln nicht schon bei der ersten Terrorwarnung in Frage.

Heribert Prantl

Die Sicherheitsapparate eines Polizeistaats dürfen alles, was sie können. Die Sicherheitsapparate eines Rechtsstaats können alles, was sie dürfen. Sie dürfen und können ziemlich viel, aber das hat eine Grenze - auch in Zeiten echt oder angeblich drohender Terroranschläge.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière: Besonnenheit statt Panikmache. (Foto: dpa)

Die Politik der inneren Sicherheit besteht seit RAF-Zeiten vor allem darin, diese Grenze immer weiter zu verschieben. Mittlerweile reicht, wie in diesen Tagen, eine bloße Terrorwarnung, um an den Pfählen des Rechtsstaats zu rütteln - in der Politik wurden sogleich allerlei Maßnahmen diskutiert, die das Recht und das Bundesverfassungsgericht eigentlich verboten hat. Die rasende Aufgescheuchtheit, die fiebrige Hysterie kann einem Himmelangst machen. Das Verhalten der Sicherheitsbehörden zur Bombenattrappe von Windhuk ist suspekt, die Kommunikation dazu ein Wirrwarr. Der für seine Besonnenheit gelobte Bundesinnenminister machte hier keine gute Figur.

Sollte es in Deutschland einen Terroranschlag geben, "werden wir eine Hysterie erleben, die bisher ohne Beispiel ist", hat der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm einmal gesagt. "Dann werden Schubladen geöffnet", sagte er, und am Ende wird es womöglich einen "diffusen Tatbestand der Verschwörung" geben. Das ist zu befürchten. Eine gute Politik der inneren Sicherheit muss Vorsorge treffen, dass das mit einiger Sicherheit nicht passieren kann. Das ist Prävention.

Deutsche Innenminister haben, wenn es um die Terrorbekämpfung geht, so oft alles in Frage gestellt, statt die alles entscheidende Frage zu stellen: Wo ist der Rubikon? Welche Linie darf auch in Zeiten der allergrößten Not nicht überschritten werden?

Diese Antwort ist notwendig, weil sie dann, wenn ein terroristischer Anschlag die Gesellschaft schüttelt, nur noch sehr schwer zu finden ist. Dann tritt an die Stelle der sicher geglaubten Freiheit ganz schnell eine freie Sicherheit, eine Sicherheit also, die wie mit einer Walze alles plattmacht - und behauptet, auf der gewalzten Fläche wachse dann schon wieder etwas (so lange, bis die Walze wieder rollt). Sicherheit rollt nicht der Freiheit voraus. Sicherheit ist die gut ausbalancierte Freiheit aller.

Wie soll der Staat aussehen, in dem unsere Kinder und Enkel leben: Das Land unter Totalüberwachung? Die Menschen unter Dauerkontrolle? Die Grundrechte auf dem Friedhof? Risikopersonen hinter Gittern? Elektronische Mauern um die Ghettos der Reichen? Wie lebt es sich da?

Politik sollte nicht den Zweifel am Rechtsstaat schüren, sondern das Vertrauen in ihn stärken - und den Stolz auf die Werte, die sich in ihm manifestieren. Dem Terrorismus standzuhalten verlangt: an den Grundsätzen des Rechtsstaats festzuhalten. Ein starker Staat ist nämlich nicht der, der sich in die Hose macht.

Der starke Staat ist der Staat, der seine Regeln verteidigt und nach ihnen handelt - nicht aber der, der sie schon bei der ersten Terrorwarnung in Frage stellt.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: